Zur Baugeschichte des Regensburger Doms - Blick an den Langhauspfeilern entlang auf den so genannten Rosshaar-Jesus © Michael Vogl

Geschichte und Ausstattung

Der Regensburger Dom wurde als klassische gotische Kathedrale errichtet, ähnlich wie der → Kölner Dom oder die → Zisterzienserkirche in Altenberg. Mit seinen Ausmaßen reicht er nahe an die großen französischen Kathedralen heran, wenn auch auf den typischen Kapellenkranz um den Chor verzichtet wurde. Stattdessen haben die Baumeister des 13. und 14. Jahrhunderts, allen voran Meister Ludwig, einen eigenen Ausdruck gewählt mit einem dreischiffigen Langhaus, einem nicht hervorstehenden Querhaus und einem dreiteiligen Staffelchor. Dieser Typus entsprach den Traditionen des romanischen Vorgängerdomes, ist aber auch in zeitgenössischen französischen Kirchenbauten von Rang zu finden.


Wenn man die gewaltige Größe und Wucht der mächtigen Kathedrale betrachtet, fühlt und bewundert man erst die zarte, feingliedrige, graziöse Struktur der Teile. Von aller Erdenschwere losgelöst, die Stein gewordene Phantasie eines gottbegnadeten Künstlers, drängen und quellen in unbeschreiblicher Schönheit und Fülle die Linien nach oben, bis das gewaltige Strahlenbündel immer zarter und durchsichtiger wird und auf seiner Spitze als krönenden Abschluss die Kreuzblume trägt. Es ist ein Symbol der Lebensfreude, der Lebensbejahung wie da in Licht und Sonne getaucht der ganze Bau von einem jubelnden, jauchzenden Streben beherrscht ist … Georg Britting, in: Regensburger Bilderbögen, Regensburg 1911

Vorgängerbauten und Baubeginn

Die Geschichte des Regensburger Doms reicht in das 8. Jahrhundert zurück: Schiftliche Zeugnisse belegen eine erste »ecclesia sancti Petri« ab 788 (erster Dom). Im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts wurde im Bereich des heutigen Domgartens eine dreischiffige Pfeilerbasilika gebaut (zweiter Dom), die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts großzügig mit einem Querhaus und einem von Türmen flankierten Chor nach Westen erweitert wurde. Von ihr ist heute noch der sogenannte Eselsturm an der Nordseite der Kathedrale erhalten. Ein Brand im Jahr 1273 und der von Frankreich her bekannte zeitgenössische Baustil (wir nennen ihn heute Gotik) gaben den Ausschlag für einen kompletten Neubau ab 1275/76 – die heutige Kathedrale St. Peter (dritter Dom).

In einem ersten Bauabschnitt folgte der Baumeister noch traditionellen und an der Romanik orientierten Formen (südlicher Nebenchor). Mit der Errichtung eines »Probefensters« im Hauptchor begann ab 1295 ein zweiter Bauabschnitt. Die bis dahin geschlossenen Mauerflächen wurden zu diaphanen (durchscheinenden) Wänden aufgelöst. Es entstand ein überwältigendes Glashaus im Bereich des Hauptchores mit der für die französische Gotik üblichen dreiteiligen Baugliederung (Arkadenbögen, Triforium, Obergaden).

Um 1310/15 erfolgte der Einbau der ersten → Glasfenster. In den folgenden rund 200 Jahren wurden der Chor, die Querschiffe, das Langhaus und die Westfassade mit dem Triangelportal sowie die Türme (allerdings nur bis auf eine Höhe von ca 50 Metern) fertiggestellt. Anfang des 16. Jahrhunderts, in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs, sozialer Unruhen und unter dem Einfluss der Reformation kam der Dombau um 1520 zum Erliegen.



Schnitt durch das Langhaus des Regensburger Doms von Norden © Staatliche Dombauhütte Regensburg

Barockzeit und 19. Jahrhundert

In der Barockzeit wurde die weiße Raumschale des mittelalterlichen Doms um 1620/30 zunächst in einer dem Gold angenäherten Ockerfarbe gefasst. Um 1700 malte man ihn dann noch einmal in einem grünlich-grauen Olivton aus. Barocke Altäre, Musiktribünen, aufwendige Grabdenkmäler und großformatige Gemälde veränderten die Raumwirkung zu dieser Zeit. Dazu gehört auch das Grabdenkmal für Kardinal Philipp Wilhelm von Wittelsbach (1576-1598) im Mittelgang des Doms. Mehrere Bischöfe und das Domkapitel stifteten den prächtigen Silberaltar im Chor des Domes zwischen 1695 und 1785. An Stelle des im Mittelalter geplanten Vierungsturms erhielt der Dom 1697 eine bunt bemalte und mit Stuckaturen versehene Kuppel.

Markante Einschnitte in der Dombaugeschichte erfolgten im 19. Jahrhundert: 1810 fällt der Dom in Folge der Säkularisation an das Königreich Bayern und wird Staatsgebäude. Als königliche Stiftungen erhielt der Dom an der Turmseite ab 1828 neue Glasfenster. 1835 gab König Ludwig I. von Bayern den Auftrag zur Entfernung aller nicht gotischen Einbauten im Dom. Dazu gehörte auch der Abbruch der barocken Vierungskuppel, die durch ein Kreuzrippengewölbe mit einem zentralen Schlussstein ersetzt wurde.

Die Hinwendung zum Mittelalter und die Interpretation der Gotik als »altdeutscher« Baustil weckten im 19. Jahrhundert den Wunsch nach der baulichen Vervollständigung des Doms. In einer gemeinsamen Anstrengung von Kirche, Bürgerschaft und Staat wurden unter Bischof Ignatius von Senestrey und mit großzügiger Förderung der bayerischen Könige Ludwig I. und Maximilian II. zwischen 1859 und 1869 die Turmspitzen gebaut. Im Anschluss ging man daran, auch den fehlenden Querhausgiebel zu errichten, der im Jahr 1872 fertiggestellt wurde. Damit war die Kathedrale nach fast 600 Jahren Bauzeit vollendet.


Den höchsten Anlauf nahm die Menschennatur als sie einen gothischen Dom in seiner Vollendung dachte; aber er ist ein Ideal geblieben und mit Recht, denn das Vollendete muss unvollendet bleiben. Die fertigen gothischen Dome sind nicht vollendet, und die vollendeten sind nicht fertig.Theodor Fontane, Brief an Emilie Fontane vom 17. April 1852

Zeitalter der Moderne

Das 20. und beginnende 21. Jahrhundert war und ist vor allem durch Sanierungsmaßnahmen und Veränderungen im Innenraum geprägt. Dazu wurde 1923 die staatliche Dombauhütte gegründet, die seitdem regelmäßige Arbeiten zur Wartung, Instandhaltung und Restaurierung vornimmt. Bereits 30 Jahre nach Errichtung der Turmhelme waren sie infolge der Luftverschmutzung in ihrem Bestand gefährdet. Trotz größerer Reparaturen mussten 1915/16 die Krabben an den Helmrippen entfernt werden. In den 1950er-Jahren verhinderte ein in der Regensburger Dombauhütte entwickeltes Kunststeinverfahren den Abbruch der Helme. Zwischen 1954 und 1957 wurden sie mit dauerhaftem Splittbeton ummantelt und erhielten auch wieder ihre Krabben.

In den 1930er-Jahren legte Erzbischof Michael Buchberger das Bildprogramm der Baldachin- und Seitenaltäre neu fest. Obwohl der Regensburger Dom während des Zweiten Weltkrieges weitestgehend unbeschädigt blieb, vernichteten Brandbomben mittelalterliche Fenster des nördlichen Seitenschiffes und einzelne Scheiben des nördlichen Querhauses. Diese und die farblosen Obergadenfenster wurden zwischen 1967 und 1989 von Professor Josef Oberberger neu gestaltet und eingesetzt. Herausragend ist sein Pfingstfenster im nördlichen Querhaus. Den neuen Altar und das Lesepult (Ambo) im Zentrum des Domes schuf Richard Triebe im Jahr 1976 – 700 Jahre nach der ersten Altarweihe.

Unter Bischof Manfred Müller kam es zu einer umfassenden Sanierung zwischen 1984 und 1989 sowie zum Einbau der unterirdischen Grablege der Regensburger Bischöfe. Dabei wurden auch Fundamente und Pfeiler aus der Zeit des zweiten Doms freigelegt. Der Außenbau wurde im Anschluss daran bis 2010 gereinigt. In den Jahren 2004/5 erfolgte unter Bischof Gerhard Ludwig Müller der Umbau des südlichen Nebenchors zur Sailer-Kapelle. Als Teil des Ensembles »Altstadt Regensburg mit Stadtamhof« gehört die Kathedrale seit 2006 zum → UNESCO-Welterbe. Seit 2009 erklingt im Dom zum ersten mal in seiner langen Geschichte mit der → Rieger-Orgel eine große Kathedralorgel.

Barrierefreiheit

Seit 2010 ist der Dom St. Peter mit einem barrierefreien Eingang zugänglich. Der Weg führt über den Domgarten an der Dombauhütte vorbei. Das Pflaster ist hier durch große Steinplatten ausgetauscht. Sie finden den Eingang an der Nordostecke des Doms beim Eselsturm. Die Tür ist mit einem Sensor ausgestattet und öffnet automatisch.

Ausstattung

Zur wertvollsten Ausstattung der Kathedrale gehören neben dem Silberaltar die 39 Glasfenster aus der Zeit von 1310 bis 1450 mit ihren über 1100 Glasscheiben, die den Dom in „heiliges Licht“ tauchen. Von herausragender Bedeutung sind darüber hinaus die steinernen Bildwerke, die das Innere und Äußere des Doms bevölkern, allen voran eine frei stehende Statue des Kirchenpatrons Petrus im südlichen Seitenschiff. Künstlerischer Höhepunkt ist die »Verkündigungsgruppe« mit Maria und dem lachenden Engel. Beide Figuren wurden vom Dombaumeister Ludwig (früher Erminold-Meister genannt) um 1280 gefertigt und sind in ihrem Ausdruck und ihrer Gestaltung Meisterwerke von europäischem Rang.

Einzigartig ist zudem der romanische, im Jahr 1525 tief greifend umgebaute und mit spätgotischen Architekturelementen gestaltete → Doppelkreuzgang mit zahlreichen Grab- und Erinnerungssteinen, zwei Innenhöfen sowie der Stephanus- und der um 1155 entstandenen Allerheiligenkapelle. Dieser kann derzeit aufgrund einer Generalsanierung leider nicht besichtigt werden.


Der ganze Körper der Kathedrale bis zu dem wundervollen Chor, den die Strebepfeiler brüderlich stützend umgeben, singt mit an dem großen Mysterium von der Verschmelzung des Geistes mit dem Fleisch und seinem Sieg über das Fleisch. Das Innere beschwichtigt die erregte Seele. Dieser breite, majestätische, fast wohnlich anmutende Raum, in den magisches Licht durch farbige Glasfenster hineinflutet, ist das Haus des ewig Unerforschlichen, wo der Mensch nicht mehr kämpft, sondern anbetet und Erbarmen aus dem Abgrund der Liebe erfleht. Ricarda Huch, 1927